Hilfsmöglichkeiten für Familien/Freunde bei einem Trauernden mit Demenz
Die Anzahl der Demenz-Erkrankten in Deutschland lag im Jahr 2020 bei ca. 1,6 Millionen Menschen. Bis zum Jahr 2050 ist mit 3 Millionen an Demenz-Erkrankter in der Bevölkerung zu rechnen. Daher müssen immer mehr Familien eine Bestattung mit Eltern, Großeltern oder anderen geliebten Verwandten mit Demenz planen. Oft sind die Familien unsicher, wie sie einem Demenzkranken während der Trauerzeit und der Beerdigung helfen und diesen mit einbeziehen können.
Für Menschen mit Demenz ist der Trauerprozess kompliziert. Das Kontrollzentrum in ihrem Hirn, welches für Gedanken und Gefühle verantwortlich ist, arbeitet nicht mehr richtig. Daher ist der Umgang mit Trauernden umso schwieriger, sowohl für die Person mit Gedächtnisverlust als auch für seine Familie und Freunde.
Ein paar grundlegende Richtlinien
- Jeder Demenz-Erkrankte ist unterschiedlich. Daher ist immer in Betracht zu ziehen, wie weit bereits die Erkrankung fortgeschritten ist, d.h. wie hoch bereits der Grad der kognitiven und physischen Veränderung ist.
- Versuchen Sie immer die Wahrheit zu sagen. Im Gespräch mit dem Demenz-Erkrankten berichten Sie ehrlich was passiert ist. Wenn Sie versuchen etwas zu verheimlichen, um den Erkrankten zu schützen, tun Sie ihm keinen Gefallen.
- Seien Sie empathisch. Empathie bedeutet hier, dass Sie mit ihm und nicht für ihn trauern. Versuchen Sie sich in den Erkrankten hineinzuversetzen und den Verlust aus seiner Perspektive zu sehen.

Das Überbringen der Todesnachricht
Es kann schwierig sein einem Demenz-Erkrankten die Nachricht eines Todesfalls zu überbringen. Wenn die Person, die verstorben ist, tagtäglich mit dem Erkrankten zu tun hatte, sollte die Nachricht nicht vorenthalten werden. Auch wenn der Demenz-Erkrankte nicht direkt nach dem Verstorbenen fragt oder fragen kann, sollte man beachten, dass Erkrankte häufig trotzdem die fehlende Person und auch die Gefühle der anderen Personen um ihn herum wahrnehmen.
Übermitteln Sie die Nachricht zu einer Tageszeit, bei der der Erkrankte am ruhigsten und klarsten ist. Reden Sie in einer ruhigen Umgebung, in dem sich der Demenz-Erkrankte sicher fühlt. Versuchen Sie Ablenkungen und laute Geräusche zu vermeiden. Benutzen Sie eine direkte, konkrete Sprache. Versuchen Sie beschönigende Umschreibungen wie „Er ist im Himmel.“ zu vermeiden. Erzählen Sie ihm was passiert ist, ohne zu tief ins Detail zu gehen. Entscheiden Sie vom Verhalten und den Fragen des Erkrankten her, ob Sie ihm noch weitere Informationen zukommen lassen. Seien Sie geduldig und präsent, wenn der Demenz-Erkrankte sich bemüht die neue Realität zu verarbeiten.
Einbindung des Demenzkranken in die Bestattung
Involvieren Sie die demente Person, wenn möglich, schon bei der Planung der Beerdigung. Vor allem wenn er erst in einem Anfangsstadium der Krankheit ist. Erzählen Sie ihm welche Entscheidungen für die Beerdigung getroffen wurden. Ermutigen Sie ihn seine Erinnerungen an den Verstorbenen zu teilen und versuchen Sie diese Erinnerungen bei der Trauerfeier oder Beerdigung einzubringen. Sie können z.B. die Erinnerungen aufschreiben, sodass diese später bei der Trauerfeier vorgelesen werden können.
Die Teilnahme an der Abschiednahme am offenen Sarg, der Trauerfeier und/oder Beisetzung und dem anschließenden Trauerkaffee ist für den Demenzkranken oft sehr sinnvoll. Darüber hinaus kann die vertraute Struktur des Rituals beruhigend und unterstützend sein. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Demenz-Erkrankte überraschend „normal“ und „geistig klar“ auf Beerdigungen sind.
Ist es für den Erkrankten nicht möglich bei der Beerdigung dabei zu sein, können Familien trotzdem Rituale durchführen, damit der Demenz-Erkrankte den Tod des Freundes/Familienmitgliedes versteht und ihm somit durch die Trauer geholfen wird. Zum Beispiel kann eine private Abschiednahme am offenen Sarg arrangiert werden. Ein Pfarrer könnte vorbeikommen und einen kurzen Gottesdienst abhalten. Auch regelmäßige Besuche des Grabs können helfen.
Je mehr Sie den Erkrankten mit in den Ablauf der Bestattung einbinden (vor allen Dingen am Anfang der Erkrankung) – vor, während und nach der Bestattung -, desto besser wird er sich an den Tod des Freundes/Familienmitgliedes erinnern und hilfreich trauern können.
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Akzeptieren sie die Trauer des Demenz-Erkrankten
Nach dem Tod eines geliebten Menschen haben wir alle 6 Grundbedürfnisse, um einen heilsamen Weg durch den Trauerprozess zu durchleben:
- Die Realität des Verlustes anerkennen
- Den Schmerz des Verlustes fühlen
- Sich an die verstorbene Person erinnern
- Entwickeln einer neuen Selbstidentität
- Die Suche nach Sinn
- Fortlaufende Unterstützung von Anderen erhalten
Demenz-Erkrankte sind eventuell nicht mehr in der Lage mit diesen Bedürfnissen zufriedenstellend umzugehen. Unterstützen Sie den Demenz-Erkrankten darin jedem dieser Grundbedürfnisse in dem Ausmaß zu begegnen wie es ihm/ihr noch möglich ist.
Bedenken Sie, dass Trauern seit jeher innere Gedanken und Gefühle auszudrücken bedeutet. Was auch immer der Erkrankte nach einem Tod auszudrücken vermag, wird ihm sehr wahrscheinlich helfen. Bleiben Sie also geduldig. Erwarten Sie verzögerte Reaktionen, da ggf. das Gehirn des Demenz-Erkrankten die neu aufgenommenen Informationen nicht so schnell verarbeiten kann.
Hat der Erkrankte emotionale Ausbrüche kann es sehr schwer sein diese mit anzusehen, aber vielleicht drückt er sein inneres Erleben in dem einzigen Weg aus, der ihm möglich ist. Bleiben Sie ruhig, beobachten Sie und validieren Sie das Verhalten. Akzeptieren Sie seine Reaktionen, wie auch immer Sie sein mögen, auch wenn Sie kalt oder apathisch sind (ein mögliches Merkmal bei Demenz-Erkrankten). Sollte er über den Tod oder die Erinnerungen an den Verstorbenen reden wollen, ist das wundervoll. Hören Sie aktiv zu und bestätigen Sie ihn.
Begeben Sie sich in die Realität des Demenz-Erkrankten
Menschen, die unter Demenz leiden, leben oft in der Vergangenheit, da ihr Langzeitgedächtnis in der Regel am längsten erhalten bleibt. In der als Realität erlebten Vergangenheit lebt der Verstorbene wahrscheinlich noch und ist gesund. Es kann dazu kommen, dass der Erkrankte denkt der Verstorbene wäre, wie früher auch, immer noch bei ihm. Tritt dieser Fall ein, begegnen Sie dem Erkrankten dort. Erlauben Sie ihm Ihnen zu erzählen wie das Leben damals mit dem Verstorbenen war. Beobachten Sie das Verhalten und die Körpersprache des Erkrankten und versuchen Sie zu erkennen ob irgendwelche zugrundeliegende Emotionen ihn beeinträchtigen.
Wenn sie die Gefühle des Dementen „lesen“ können, versuchen Sie diese (vorsichtig) für ihn zu benennen. „Es sieht so aus als würdest du dich traurig fühlen.“ oder „Deine Reaktion zeigt mir, dass du traurige Gedanken hast.“ Dies zeigt eine Form der Empathie und viele Demenz-Erkrankte fühlen sich getröstet und „verstanden“ durch diese Art der Spiegelung.
Ein paar weitere Ideen
- Bieten sie Erinnerungsstücke an. Erinnerungsstücke sind Gegenstände, die dem Verstorbenen gehört haben und/oder den Erkrankten an ihn erinnern. Dazu gehören u.a. Schmuck, Kopfkissen, Kleidung oder einfach Fotos. Wenn ein Gegenstand erregt anstatt zu trösten, entfernen Sie ihn. Versuchen Sie es mit einem anderen Gegenstand. Vergessen Sie auch nicht den Geruchssinn anzusprechen, z.B. durch einen Strauß Flieder oder den Duft von Eau de Cologne.
- Organisieren Sie Fotos. Wenn ein Erkrankter gerne Fotos betrachtet, hängen Sie diese an einer Wand auf oder kleben Sie die Fotos in ein Album. Überlegen Sie dabei Fotos von Verstorbenen getrennt von Lebenden aufzuhängen bzw. aufzubewahren. Eine weitere Möglichkeit ist ein Album mit Nachrufen und Fotos von Verstorbenen zu erstellen.
- Benutzen Sie die Vergangenheitsform. Wenn Sie über eine Person sprechen, die gestorben ist, benutzen Sie die Vergangenheitsform. Zum Beispiel: „Marie liebte ihren Garten, nicht wahr? Weißt du noch als Sie einen Preis dafür bekommen hat?“
- Singen Sie. Demenz-Erkrankte hören meistens gerne Musik, und wie für alle von uns, kann die richtige Musik helfen bestimmte Erinnerungen hervorzurufen. Spielen Sie Musik ab oder singen Sie gemeinsam Lieder, die dem Erkrankten helfen sich an den Verstorbenen zu erinnern.
- Erzählen Sie ihm seine Geschichte. Wenn der Demente nicht mehr im Stande ist selbst seine komplette, zusammenhängende Lebensgeschichte zu erzählen, kann dies ein Familienmitglied übernehmen. Konkretisieren Sie die Geschichte mit den Details, die für den Demenz-Erkrankten am bedeutsamsten sind. In der Erzählung sollten wichtige Tode und andere bedeutende Verluste vorkommen. Familien können auch ein Fotoalbum zusammenstellen, das die Lebensgeschichte des Demenz-Erkrankten in einer chronologischen Reihenfolge anhand von Bildern erzählt. Dazu eignen sich gut Fotos als Baby, ein Foto mit den Eltern, ein Schnappschuss als Teenager, etc.
Letzte Gedanken
Geduld, Ehrlichkeit und vor allem Empathie und Liebe sind der Schlüssel, um einer Person mit Demenz bei einem Sterbefall zu helfen. Denken Sie immer daran, dass, obwohl Demenz das Gehirn beeinträchtigt, die Seele des Demenz-Erkrankten immer noch vorhanden ist. Die Seele ist das Zentrum von Liebe und Trauer und alle Bemühungen, die Sie unternehmen, um der Person zu helfen, das auszudrücken was in ihrem Herzen und ihrer Seele ist, wird das würdigen, was in ihrem Leben vor der Erkrankung am bedeutungsvollsten war.
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