„Mit wem soll ich jetzt reden, lachen, Fahrrad fahren?“ - Wenn der beste Freund stirbt
Beim Tod eines Menschen wird ein Hinterbliebener häufig übersehen: der beste Freund, die beste Freundin des bzw. der Verstorbenen. Sie stehen der Familie oftmals in der Trauerzeit zur Seite, nehmen den zurückbleibenden Partnern Arbeit ab – und werden dabei in ihrer eigenen Trauer kaum wahrgenommen; haben genau in dieser schweren Zeit keinen besten Freund, keine beste Freundin mehr, mit dem sie ihren Schmerz teilen können.
Eine unserer freien Mitarbeiterinnen erinnert sich an den Leichenschmaus für ihren Großvater; „Meine Großmutter war umgeben von einer Traube von Menschen, die ihr ihr Beileid ausdrückten. Entfernte Cousins und Cousinen unterhielten sich miteinander, lachten und scherzten. In dieser fast schon fröhlichen Atmosphäre saß Helmut, der beste Freund meines Großvaters, etwas abseits, allein an einem Tisch und starrte in sein Glas. Er, der sonst mit einem guten Appetit gesegnet war, aß keinen einzigen Bissen. Man sah ihm an, wie sehr er meinen Großvater vermisste.
‚Ich treff mich noch mal mit Helmut‘, den Satz hatte ich zig Mal gehört, wenn ich in den Ferien bei meinen Großeltern zu Besuch war. Helmut war für meinen Großvater jemand, mit dem er herzlich lachen, über alles reden und manchmal einfach nur schweigen konnte. Und genau das Gleiche war mein Großvater für Helmut gewesen.
Vermutlich ging es mir, der Enkelin, in der ersten Zeit der Trauer sogar besser als Helmut, dem besten Freund. Schließlich hatte ich meine beste Freundin, mit der ich über den Verlust meines Großvaters reden konnte. Aber Helmut? Der Mensch, mit dem er normalerweise darüber gesprochen hätte, wie schlecht es ihm gerade ging und der ihm zur Seite gestanden hätte, genau dieser Mensch fehlte nun in seinem Leben.“
Was man verliert, wenn man den besten Freund verliert
Manchmal ist der beste Freund, die beste Freundin nach den Eltern und eventuellen Geschwistern der Mensch, den man am längsten in seinem Leben kennt. Der einen von Kindesbeinen an begleitet. Mit dem man auf Bäume geklettert ist, sich blutige Knie geholt hat, gemeinsam durch die Schule ist und der einem bei Liebeskummer zur Seite stand. Aber auch wenn der beste Freund erst im Erwachsenenalter kam: Er ist derjenige, der einem den Kaffee genauso hinstellt, wie man ihn mag und der beim Kuchen kaufen nach den Zutaten fragt, weil er an die Nuss-Allergie denkt. Kurz: Er weiß mehr über einen als sonst jemand, kennt alle Eigenarten und Macken – und kann mit ihnen leben.
Wenn der beste Freund, die beste Freundin stirbt, stirbt somit oftmals ein Teil der eigenen Lebensgeschichte. Gerade, wenn man ihn oder sie von Kindheit an kannte. Mit wem kann man sich sonst noch über Schulgeschichten unterhalten oder über die Großmutter, die schon so lange tot ist?
Sicherlich wird man mit der Zeit wieder einen Menschen finden, mit dem man sich gut versteht, der nach und nach zum besten Freund, zur besten Freundin wird. So wie man nach dem Verlust des Partners auch wieder einen neuen Partner finden kann. Doch genauso wenig wie ein Partner je „ersetzt“ werden kann, kann ein bester Freund ersetzt werden. Es wird anders sein.
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