Wenn die Eltern plötzlich alt sind
Wenn Kinder ihre alten Eltern pflegen
Wenn wir im Kindesalter sind, kümmern sie sich für uns um alles. Sie sind unsere Vorbilder, unbesiegbar und stark: unsere Eltern. Ihre Kraft und ihre Fähigkeiten erscheinen uns schier unendlich; und das sogar oft noch, wenn wir schon lange erwachsen sind. Doch irgendwann schafft es unsere Mutter nicht mehr, die Treppe so schnell hochzusteigen und unserem Vater fällt es schwer, seine Socken anzuziehen. Nach und nach gesellt sich ein Wehwehchen zum nächsten und die kleinen Schusseligkeiten häufen sich. Irgendwann ist es nicht mehr zu übersehen: Unsere Eltern werden alt.
Wir leben heute länger, und das Altern setzt später ein als noch vor ein, zwei Generationen. Siebzigjährige sind heute so fit wie Menschen mit Mitte fünfzig vor 40 Jahren. Doch irgendwann ist so weit: Das, was mit kleiner Unterstützung am Computer und dem Ausfüllen von Formularen begann, weitet sich zunehmend aus. Irgendwann gelingt es den Eltern nicht mehr, ihr Leben allein zu meistern. Sie brauchen immer mehr Hilfe im Alltag, bis sie ganz zum Pflegefall werden. Was dann?
Pflegebedürftige Eltern – der Staat nimmt die Kinder in die Pflicht
Wir leben noch immer mit der Vorstellung von der Mehrgenerationenfamilie. Ein Ideal, in dem die Elterngeneration zu Hause von ihren Kindern versorgt wird. Ein Ideal, das unter ganz anderen gesellschaftlichen Bedingungen existierte – und heute kaum zu erfüllen ist. Doch der Reihe nach.
In Deutschland gilt: Die Kinder haben die Pflicht, sich um ihre Eltern zu kümmern, wenn diese pflegebedürftig werden. Nur in seltenen Fällen werden sie juristisch aus dieser Verpflichtung entlassen.
Wie die Kinder die Pflege der Eltern letztlich ausgestalten, ist dabei offen: Sie können persönlich die Versorgung übernehmen, jemand privat einstellen, die Pflege durch einen Pflegedienst oder die Unterbringung in einem Heim organisieren. Wofür sie sich entscheiden, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab: dem Verhältnis zwischen ihnen und ihren Eltern, der Erwartungshaltung, mit der sie konfrontiert werden, ihrer Lebenssituation, ihren Finanzen und, und, und.
Um die Kinder zu entlasten, gibt es Pflegegeld und weitere Zuschüsse, die sie für die Pflege aufwenden können. Doch diese Zuschüsse reichen nicht aus, um einen Pflegefall durch einen Pflegedienst oder im Heim rund um die Uhr versorgen zu lassen. Ohne eigenes Geld (sei es aus dem Vermögen der Eltern oder der Kinder) oder eigene Pflegearbeit geht es nicht. Und wenn wir ehrlich sind: Das deutsche Pflegesystem würde ohne die Pflege durch Verwandte zusammenbrechen, da es einfach zu wenig Pflegepersonal für die wachsende Zahl an alten Menschen gibt.
Doch zum Glück für das deutsche Pflegesystem übernimmt ein großer Teil der erwachsenen Kinder die Verantwortung für die Pflege.
Rufen Sie uns an 0800-6080908 oder schreiben Sie uns eine E-Mail.
Die alten Eltern pflegen als Teil des Generationenvertrages?
Es gibt viele Gründe, warum sich erwachsene Kinder um ihre pflegebedürftigen Eltern kümmern. Der einfachste: Sie tun es aus Liebe. Sie möchten, dass es ihren Eltern gut geht, möchten das zurückgeben, was ihre Eltern für sie getan haben, als sie Kinder waren. Doch neben Liebe gibt es auch noch andere Gründe wie Pflichtgefühl, sozialer oder finanzieller Druck.
Auch die Erwartungen der Eltern spielen eine Rolle. Botschaften wie ein missbilligendes „Die Rosie muss jetzt ins Heim. Dabei hat die doch drei Kinder“ machen den eigenen Kindern deutlich, was zu tun sei. Und viele Kinder nehmen dies an: Die Pflege der Eltern wird noch immer – von beiden Seiten – als Teil eines sogenannten Generationenvertrages aufgefasst. Die Eltern sind für die Kinder da, wenn diese klein sind, die Kinder sind für die Eltern da, wenn diese alt sind.
Doch bei genauerem Hinsehen sind die pflegenden Kinder heute in einer ganz anderen Situation als ihre Großeltern, ja noch ihre Eltern.
Veränderte Gesellschaft: Warum die Pflege der Eltern die Kinder überfordert
Allein die Tatsache, dass Eltern heute viel später pflegebedürftig werden als noch vor ein oder zwei Generationen, bedeutet meist, dass die Kinder selbst schon älter sind, wenn sie einspringen. Entsprechend haben die Pflegenden inzwischen ebenfalls schon erste gesundheitliche Einschränkungen, sind körperlich eventuell nicht mehr so belastbar.
Hinzu kommt: Die Lebenserwartung ist heute höher und damit auch die Dauer der Pflege. Immer mehr Menschen werden über 90, teilweise sogar über 100 Jahre alt. Waren Vater oder Mutter also früher vielleicht ein oder zwei Jahre pflegebedürftig, bevor sie starben, so hat sich heute die Zeit der Pflege auf rund zehn Jahre ausgedehnt. Das ist ein unglaublich langer Zeitraum, in dem die Pflegenden das eigene Leben zurückstellen müssen.
Mit zunehmendem Alter der Eltern erkranken diese auch häufiger an Demenz. Gerade eine Demenzerkrankung stellt die Betreuenden vor eine ungemeine Herausforderung – besonders wenn die eigenen Eltern davon betroffen sind. Hier geht es dann nicht nur um die körperliche Pflege, demente Eltern zu pflegen belastet vor allem psychisch: Die Kinder beobachten, dass sich ihre Eltern von ihrem früheren Selbst entfernen. Gleichzeitig sind die Kinder nicht darin geschult, mit Demenz umzugehen, ihnen fehlt die professionelle Distanz. Kein Wunder, die Betroffenen sind schließlich die eigenen Eltern. Mit fortschreitendem geistigem Verfall brauchen Demente zudem rund um die Uhr Betreuung. Etwas, was mit einem eigenen Leben für die Kinder kaum vereinbar ist. Zusätzliche Pflege muss also bezahlt werden.
Emanzipation? Frauen sind bei der Pflege der Eltern doppelt belastet
Den größten Unterschied machen jedoch unsere gesellschaftlich veränderten Familienstrukturen und Geschlechterrollen. Pflege wurde – und wird immer noch – zu einem Großteil von Frauen übernommen.
Doch während Frauen früher häufig ihre Berufstätigkeit mit der Ehe aufgaben, ist dies heute schon lange nicht mehr der Fall. Vollzeitberufstätigkeit und Pflege schließen sich fast aus: Nur 20 Prozent der pflegenden Kinder sind vollzeitbeschäftigt oder selbstständig. Der Rest arbeitet in Teilzeit oder ist überhaupt nicht berufstätig.
Damit kommen wir zu einem weiteren Punkt: Es sind überwiegend die Töchter, die ihre alten Eltern pflegen. Selbst bei gemischten Geschwisterpaaren übernehmen meist die Frauen die Pflege. Brüderpaare hingegen organisieren lieber eine professionelle Pflegeunterstützung, wesentlich seltener übernimmt ein Sohn die körperliche Pflege.
Die Gründe dafür liegen meist in traditionellen Rollenverteilungen, die wir noch immer verinnerlicht haben: So sind Frauen weiterhin für die Sorge um die Familie zuständig. Sie fühlen sich häufig mehr als die Männer für das Wohlergehen der Eltern verantwortlich und sind eher bereit, dafür auch ihre Arbeit aufzugeben oder ihre Arbeitszeit zu reduzieren.
Die alten Eltern pflegen und ein eigenes Leben haben – ein unerfüllbares Ideal
Längere Lebenserwartung, längere Pflegezeit, zerrissen zwischen Beruf, der eigenen Familie und der Sorge um die Eltern. Die erwachsenen Kinder finden sich zerrieben zwischen dem Ideal der Elternpflege und den modernen gesellschaftlichen Anforderungen. Die Arbeit, die sie unter der Woche nicht schaffen, sei es Wäschewaschen, Putzen oder anderes, erledigen sie am Wochenende oder an den Feiertagen. Damit fehlt ihnen die Zeit zum Regenerieren. Nach und nach zehrt das an der Substanz. Dies über einen Zeithorizont von oftmals zehn Jahren durchzuhalten, geht über die Kräfte der meisten.
Gleichzeitig wissen die pflegenden Kinder, dass sie selbst nur in Ausnahmefällen damit rechnen können, später selbst einmal von den eigenen Kindern gepflegt zu werden. Sofern sie eigene Kinder haben.
Aktuell gibt es kein Patentrezept dafür, wie die Pflege der Eltern gelingen kann, ohne die Kinder chronisch zu überfordern. Wir orientieren uns an Modellen, die in unserer Lebenssituation nicht funktionieren. Das Scheitern daran sehen wir jedoch nicht als strukturelles Problem, sondern als individuelles Versagen. Pflegende Kinder fühlen sich daher häufig chronisch schlecht. Sie wollen alles leisten, können es aber nicht.
Sie haben Fragen? Sie möchten mit uns über das Thema sprechen? Brauchen Rat, wo Sie sich Hilfe suchen können? Rufen Sie uns an (0800 6080908) oder schreiben Sie uns eine E-Mail (info@heuse-bestattungen.de).
zurück