Wenn Kinder um ihre Eltern trauern
Der Tod der Eltern ist eines der gravierendsten Ereignisse in unserem Leben. Wenn alles seinen regulären Gang geht, erleben wir den Tod unserer Eltern nicht als Kinder, sondern erst im Erwachsenenalter – mit 40, 50 oder 60 Jahren. Also dann, wenn wir nicht mehr von unseren Eltern abhängig sind, ein eigenes Leben haben. Doch wie ist es, wenn Kinder um ihre Eltern trauern müssen?
Kinder, die einen oder beide Elternteile verlieren, sind gemeinhin doppelte Verlierer: Sie erleben nicht nur den Tod von Mutter oder Vater, sondern verlieren häufig für einige Zeit zusätzlich die Zuwendung der Familie. Angesichts der eigenen Trauer kann der zurückbleibende Elternteil oder die Verwandtschaft den Kindern in der ersten Zeit oft nicht die Aufmerksamkeit geben, die sie nun gerade benötigen. Im Todesfall beider Eltern sind sie darüber hinaus gezwungen, sich an eine veränderte Wohnsituation zu gewöhnen, da sie zu Verwandten, zu einer Pflegefamilie oder in ein Kinderheim ziehen müssen.
Wie Kinder trauern und den Tod der Eltern erleben, hängt vom Alter ab
Je nach Alter nehmen Kinder den Tod der Eltern unterschiedlich wahr. Bei Babys bis zum 10. Lebensmonat geht man davon aus, dass sie den Verlust eines Elternteils zwar als Abwesenheit bemerken, aber nicht verstehen, worin die Ursache liegt. Sie haben noch keine Vorstellung des Konzepts „Tod“. Trotzdem kann sie die Trennung von einer Bezugsperson aufwühlen, und sie protestieren dagegen. Außerdem spüren sie die Gefühle der sie umgebenden Menschen und reagieren in der Regel irritiert oder verunsichert auf deren Schmerz und Trauer. Um dem Kind zu helfen, sollten die Verwandten versuchen, den Tagesrhythmus des Kindes stabil zu halten und ihm so viel Aufmerksamkeit und Nähe wie möglich zu schenken.
Ein- bis Zweijährige hingegen realisieren bereits ganz bewusst die Abwesenheit des Verstorbenen. Gleichwohl besteht auch hier wahrscheinlich noch kein Konzept vom Tod. Sie erleben den Tod der Eltern als Trennung, die jedoch große Schmerzen hervorrufen kann. Nach einer Protestphase geben sie letztlich die Hoffnung auf, dass die verschwundene Mutter, der verschwundene Vater wiederkommt, und gewöhnen sich an den neuen Zustand. Wie gut sie sich an die veränderte Situation anpassen, hängt davon ab, wie viel Zuwendung und Nähe die Kinder weiterhin erfahren.
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Kinder trauern anders als Erwachsene
Ab etwa dem 3. Lebensjahr beginnen die Kinder zu verstehen, was es heißt, wenn die Mutter oder der Vater tot ist. Dann trauern Kinder um ihre Eltern wie Erwachsene in mehreren Phasen. Anders als Erwachsene leben Kinder ihre Trauer indes nicht kontinuierlich. So können sie in einem Moment unsäglich weinen und unter den Schmerzen des Verlusts leiden, doch schon im nächsten Moment fröhlich spielen und alles scheint vergessen.
Die Nachricht vom Tod von Mutter, Vater oder sonst eines nahen Verwandten versetzt die Kinder erst einmal in einen Schockzustand. Ähnlich wie Erwachsene müssen sie die Nachricht zunächst verstehen. Wichtig ist hier, mit den Kindern zu reden, ihnen zu erklären, was passiert ist.
Allerdings sollte Sie dabei nicht auf Erklärungen zurückgreifen, die beim Kind falsche Vorstellungen hervorrufen können. „Deine Mutter war sehr müde, daher schläft sie jetzt.“ kann die Erwartung aufrechthalten, die Mutter könne irgendwann wieder aufwachen. Es können aber ebenso Ängste geweckt werden, dass Schlafen etwas Schlimmes sei – schließlich wacht man vielleicht nicht mehr auf. Beantworten Sie auf jeden Fall die Fragen, die das Kind stellt. Es hilft ihm zu begreifen, was vor sich geht. Da Kinder vieles auf sich beziehen, sollte explizit klargestellt werden, dass der Tod von Mutter oder Vater mit nichts in Zusammenhang steht, was das Kind gemacht hat oder beeinflussen konnte.
Wenn Kinder um ihre Eltern trauern, ist nichts ist mehr, wie es war – die erste Zeit
Nachdem der erste Schock abgeklungen ist, finden die Kinder sich auf einmal in einer veränderten Welt wieder. Sie verstehen noch nicht die Handlungsweisen der Erwachsenen, wissen noch nicht, welches Verhalten erwartet wird. Die Kinder beginnen nun oft, viele Fragen rund um den Tod zu stellen; das hilft ihnen, ihre Trauer um die Eltern zu verarbeiten.
Wie alt das Kind auch sein mag, es sollte die Möglichkeit haben, Abschied zu nehmen. Halten Sie es nicht vom Verstorbenen fern oder grenzen es von den Vorbereitungen zur Beerdigung aus, weil Sie es schonen wollen. Das bewirkt bei einem Kind vielfach das Gegenteil: Es fühlt sich ausgestoßen, fängt möglicherweise an, sich selbst die Schuld für den Tod des Elternteils, der Eltern zu geben – schließlich wird es in seiner Wahrnehmung für irgendetwas bestraft. Am besten lassen Sie das Kind den Abschied mitgestalten. Je nach Lebensalter kann das Kind unterschiedliche Aufgaben übernehmen: Es kann mit entscheiden, welche Blumen den Sarg schmücken sollen, ein Bild für den Verstorbenen malen oder Kerzen anzünden. Die Möglichkeit des Abschiednehmens ist für den kindlichen Trauerprozess genauso wesentlich wie für Erwachsene.
Wie Erwachsene brauchen auch Kinder einen heilsamen Abschied, um die Trauer um ihre Eltern gut bewältigen zu können. Lassen Sie das Kind also an der Beerdigung teilnehmen, wenn es möchte. Achten Sie aber darauf, dass eine Bezugsperson anwesend ist, die im Idealfall nicht so nahe betroffen ist, sondern sich völlig dem Kind widmen kann. Denn die weinenden, schwarzgekleideten Menschen könnten es verunsichern. Erwarten Sie auch bitte nicht, dass es sich die ganze Zeit über sittsam und angemessen verhält. Wenn es spielen will oder sich intensiv mit allem anderen, nur nicht mit der Beerdigung beschäftigen möchte, dann kann dies ein Schutzmechanismus sein.
Die Trauer durchmachen
In der anschließenden Zeit kann das trauernde Kind in seiner Entwicklung einen Schritt zurück machen (Regression). Es beginnt, sich wieder einzunässen, lutscht am Daumen, möchte Brei, obwohl es schon lange richtige Nahrung essen kann. Es ist wie eine Flucht in eine Zeit, als es besser war. Manche Kinder ziehen sich vollständig in sich zurück. Hier kann es helfen, anhand von Bilderbüchern und Geschichten mit dem Kind über seine Trauer zu sprechen.
Nach einiger Zeit überwinden die Kinder ihre Trauer (Adaption). Ihr Trauer-Ich wird integriert. Sie können immer wieder einmal traurig sein und den Verstorbenen vermissen, doch bei einer gesunden Entwicklung wenden sie sich dem Leben erneut zu.
Ein P.S. für Eltern
Auch wenn Ihnen natürlich hoffentlich nichts zustößt, sollten Sie für den Fall der Fälle vorsorgen und eine Sorgerechtsverfügung aufsetzen. Denn das Sorgerecht geht im Todesfall der Eltern nicht automatisch auf die nächsten Verwandten über. Ebenso, falls Sie jemanden vom Sorgerecht ausschließen wollen, sollten Sie dies festlegen und eine andere Person bestimmen. Dies kann zum Beispiel eintreten, wenn ein biologischer Vater und das Kind sich noch nie begegnet sind, jener aber als Elternteil das Sorgerecht bekäme. Sie vermeiden so Unsicherheiten, die den Trauerprozess des Kindes zusätzlich erschweren könnten.
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