Wenn man nicht mehr kann - der Abschied von der eigenen Wohnung
Die erste eigene Wohnung ist ein Übergang – der Übergang vom Kind zum Erwachsenen. Endlich nach Hause kommen, wann man will, machen was man will, für sich selbst (und seine eigene Familie) verantwortlich sein. Meist geben wir eine große Einweihungsfeier, um diesen Schritt zu würdigen. Eine eigene Wohnung gehört für uns zum Erwachsensein dazu. Aber was ist, wenn wir irgendwann nicht mehr können? Wenn wir unsere Wohnung wieder aufgeben (müssen) und in ein Wohnheim ziehen?
Ein Übergang, nicht nur ein Abschied
Der Abschied von der eigenen Wohnung, der Umzug aus dem eigenen Haus in ein Alterswohnheim ist ein entscheidender Einschnitt im Leben. Es ist einer der vielen Abschiede, die wir im Laufe unseres Lebens hinter uns bringen. Ein Abschied, der uns lehrt, langsam loszulassen. Und der – wie auch der Auszug aus dem Elternhaus – gewürdigt werden sollte.
Für rund ein Drittel aller älteren Menschen, die in ein Heim umziehen, geschieht dies ganz plötzlich. Ein Sturz, der Tod des Partners, eine rapide Verschlechterung des Gesundheitszustands, eine schwere Diagnose sind oftmals der Grund. Wie bei Frau F. Sie kam wegen Nierensteinen ins Krankenhaus. Eigentlich nichts Großes. Im Zuge der Untersuchungen wurde jedoch Knochenkrebs entdeckt. Die Therapie schwächte sie so, dass ein eigenständiges Leben nicht mehr möglich war. Sie kam noch ein letztes Mal in ihre Wohnung zurück, um mit Hilfe ihrer Tochter die Sachen zu packen. Sachlich, effizient und nach praktischen Gesichtspunkten wurde in aller Eile ihr Leben zusammengepackt. Still und wortlos lies Frau F. alles geschehen. Es wurde sich wenig darum gekümmert, wie sie den Abschied empfand und ob sie noch einmal in Ruhe „Tschüss“ sagen wollte.
Doch auch wer Zeit hat, sich mit dem Umzug ins Wohnheim oder in eine Seniorenwohnlage auseinanderzusetzen oder diesen Umzug von langer Hand und aus rationalen Gesichtspunkten geplant hat, wird mit dem Moment des Abschieds konfrontiert. Dem Abschied von der vertrauten Umgebung. Dem Abschied von vielen Dingen, die einen oftmals ein Leben lang begleitet haben, von Möbeln, Büchern, Bildern, einem Großteil seines Besitzes. Gleichzeitig ist der Umzug in ein Wohnheim, eine Altenwohnanlage ein Übergang in eine neue Lebensphase.
Zeremonien helfen den Übergang wertzuschätzen
In unserer Gesellschaft geschieht dieser Übergang in die Lebensphase des letzten Alterns meist sang und klanglos. Im wahrsten Sinne des Wortes. In unserer westlichen Welt haben wir verlernt, Übergänge zeremoniell zu begleiten. Es gibt keine Gesänge, keine Tänze, keine großen Feierlichkeiten – weder wenn wir in die Gemeinschaft der Erwachsenen aufgenommen werden und schon gar nicht, wenn wir sie langsam wieder verlassen.
Wir feiern zwar Dinge, wie den Schul- oder Universitätsabschluss, aber eine Feier ist etwas anderes als eine Zeremonie. Eine Feier ist ein Ausdruck der Freude, eine Zeremonie hingegen gibt den Dingen einen Sinn, hilft uns sie in den Lauf des Lebens einzuordnen. Besonders über Lebensereignisse, die wir als negativ einstufen, die wir als Verlust sehen, gehen wir still und leise hinweg. Dabei können Rituale und Zeremonien helfen, den Übergang bedeutsam zu machen, ihn nicht als Verlust, sondern als ganz natürlichen Teil des Lebenszyklus zu begreifen. So wie es einst war. Als Alter nicht nur durch den Verlust der körperlichen Leistungsfähigkeit definiert wurde, sondern gleichzeitig einen Prestige-Gewinn aufgrund von Lebensweisheit mit sich brachte.
Ein Umzug in ein Wohnheim verändert auch die Rollen, die man bis jetzt eingenommen hatte. Besonders für Frauen kann dieser Rollenwechsel noch schwerer sein als für Männer. Denn bei ihnen geht häufig die Aufgabe als Versorgerin, die sich um das Wohl der Familie, ums Einkaufen, Kochen und Waschen gekümmert hat, verloren. All das müssen (und brauchen) sie im Wohnheim nicht mehr tun. Im Gegenteil: Nun sind sie es, um die man sich kümmert. Entsprechend kann sich bei ihnen ein Gefühl der Nutzlosigkeit und Leere breitmachen.
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Jede Lebensphase ist es wert, zelebriert zu werden
Den Übergang in diese neue Lebensphase zu zelebrieren, kann helfen ihn sinnhaft zu gestalten. Man kommt in seiner neuen Lebensrolle an und lernt diese anzunehmen. Die Betreuung durch Psychologen oder durch ehrenamtliche Helfer kann in der Übergangszeit zusätzlich helfen.
Wie eine solche Zeremonie aussehen kann, das ist – in unserer Gesellschaft – ganz einem selbst überlassen. Man kann noch ein letztes Mal Kerzen anzünden, ein Abschiedsgedicht vorlesen, die schönen Zeiten in der Wohnung, im Haus Revue passieren lassen, eine Liste verlesen, mit den Punkten, warum man nun Abschied nimmt und sich bewusst für einen neuen Abschnitt entscheidet. Man kann auch Freunde und Familie einladen und eine „Ausstandsfeier“ machen. Auf der anderen Seite kann ein Einzugsritual helfen, die neue Wohnsituation anzunehmen. Auch hier kann man die neue Wohnung, das neue Zimmer zum Beispiel mit Räucherstäbchen rituell reinigen und so eine vertraute Atmosphäre schaffen. Man kann es auf ganz unterschiedliche Weise angehen. Wichtig ist nur, dass man die Übergänge im Leben nicht sang und klanglos übergeht.
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