Wie Kinder den Tod begreifen (lernen)
Oft versuchen Erwachsene, Kinder von dem Thema Tod fernzuhalten, möchten sie – solange es geht – nicht mit diesem Thema belasten. Doch Kinder vom Tod fernzuhalten, hieße, sie davon abhalten zu wollen, mit wachen Augen die Welt zu betrachten, sie von Geschichten und Filmen, von Nachrichten und den Gesprächen der Erwachsenen auszuschließen.
Viele Erwachsene gehen davon aus, Kinder könnten noch gar nicht verstehen, was „Tod“ eigentlich bedeutet. Doch dem ist nicht so. Kinder haben ihr jeweils eigene Vorstellung davon, was der Tod bedeutet und erleben – genau wie Erwachsene Trennungsschmerz und Trauer.
Allerdings begreifen Kinder erst über die Zeit, was der Tod genau bedeutet. Wie so vieles geschieht dies in verschiedenen Phasen.
Die ersten 3 Jahre: Kinder begreifen den Tod als Trennung
Man geht davon aus, dass Kinder bis zum 10. Lebensmonat den Tod einer Bezugsperson nur als Abwesenheit erfahren. Dabei reagieren sie durchaus auf Veränderungen in ihrer Umgebung, ihrem Tagesrhythmus, im Verhalten ihrer Mitmenschen und können irritiert sein.
Zwischen dem 1. und dem 3. Lebensjahr realisieren die Kinder den Tod eines Menschen in erster Linie als Trennung von diesem. Ein sprachliches Konzept, über das sie den Tod verstehen könnten, existiert noch nicht. Dieses Getrenntsein können die Kinder in der Tat als sehr schmerzhaft erleben.
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Vom 3. bis 5. Lebensjahr: Für Kinder ist der Tod nur vorübergehend
Spätestens im Kindergartenalter haben die meisten Kinder zumindest eine Vorstellung vom Tod – auch wenn die Kinder ihn noch nicht wie Erwachsene begreifen. Schon häufig haben sie tote Insekten auf dem Fensterbrett oder einen toten Vogel am Bordstein liegen sehen und haben miterlebt, wie Pflanzen absterben. In den Märchen, die sie hören, sterben Mütter, Väter und am Ende die Hexen, Zauberer und bösen Stiefmütter; im Fernsehen bekommen sie die Bilder von Katastrophen, Anschlägen und Unglücken mit. Zudem können sie bereits zwischen „belebt“ und „unbelebt“ unterscheiden und interessieren sich dafür, wie diese Veränderung vor sich geht.
Doch das heißt eben noch nicht, dass Kinder den Tod wirklich begreifen. Kinder stellen sich den Tod für gewöhnlich bloß als eine Art Schlaf vor, aus dem man irgendwann wieder aufwacht, oder sie glauben, ein Verstorbener würde weiterhin all die normalen Dinge tun, die Lebewesen so tun: essen, trinken, schlafen. Nur eben nicht mehr sichtbar, sondern irgendwo anders. Aus diesem Verständnis heraus erklären sich die gelegentlich geäußerten Todeswünsche von Kindern. „Du sollst tot sein“ heißt für sie nicht viel mehr als „Du sollst weggehen“. Ebenso dass der Tod endgültig ist und eines Tages jeden – auch sie – betrifft, können sie in den ersten Jahren noch nicht verstehen. Für Kinder bis etwa vier Jahre geschieht der Tod eher zufällig: eine Krankheit, ein Unfall. Wer hingegen vorsichtig ist, kann in ihrer Vorstellung ewig leben. Vor allem ist ihnen noch nicht klar, dass der Tod sie gleichermaßen betreffen kann bzw. wird.
Kinder in diesem Alter scheinen sich oftmals besonders für den Tod zu interessieren. Sie imitieren die Erwachsenen, spielen Beerdigung, wenn sie tote Insekten und Tiere finden, und stellen viele Fragen, weil sie verstehen möchten, was dahintersteckt.
Das Grundschulalter: Die Kinder begreifen die Endgültigkeit des Todes
Ab dem 5., 6. Lebensjahr entwickeln die Kinder allmählich eine realistischere Vorstellung vom Tod. Sie verstehen den Tod nicht mehr lediglich als Bewegungslosigkeit, sondern erkennen, dass alle Körperfunktionen betroffen sind, einschließlich des Denkens und Fühlens. So begreifen sie, dass der Tod endgültig ist. Kinder in diesem Alter sind jedoch noch stark im magischen Denken verhaftet, stellen sich den Tod vielfach als Person vor und glauben mitunter, man könne diesem entkommen, wenn man sich richtig verhält, beispielsweise schnell genug wegläuft. Gleichzeitig interessieren sich die Kinder zunehmend dafür, was nach dem Tod kommt. In dem Maße, wie das Kind begreift, dass es selbst betroffen sein kann/wird, gewinnen religiöse und philosophische Konzepte an Bedeutung. Dies macht den Gedanken an den eigenen Tod erträglicher.
Ab dem 10. Lebensjahr: Die Dimension des Todes wird realisiert
Zwischen dem 10. und 14. Lebensjahr nähert sich das kindliche Todesverständnis langsam dem von Erwachsenen an. Der Fokus des Interesses verschiebt sich von den äußeren Zeichen von Tod und Trauer – also von Särgen, Friedhof, schwarzer Kleidung – darauf, wie man stirbt und was danach sein wird. Fragen nach dem Sinn des Lebens kommen auf, und die Kinder bzw. Jugendlichen beschäftigen sich mit religiösen Vorstellungen oder naturwissenschaftlichen Erklärungen für das Ende des Lebens. Ab dem 14. Lebensjahr festigt sich die Todesvorstellung, die man später auch als Erwachsener haben wird.
Die hier beschriebenen Phasen, wie Kinder nach und nach den Tod begreifen, sind nicht in Stein gemeißelt. Die Abgrenzung variiert je nach individueller Entwicklungsgeschwindigkeit eines Kindes.
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